Leserbrief zur Spitaldebatte im Kanton St. Gallen vom 11. Januar 2020

Die Medizin in der Wirtschaftsfalle

 Der Unmut der Gemeinde Wattwil über die Spitalpolitik ist offenkundig und nachvollziehbar. Erst für teures Geld gebaut soll das Spital Wattwil geschlossen bzw. nach anderen Plänen zu einem Pflegeheim umgewandelt werden. Woran «krankt» unsere Spitalpolitik? Das aktuelle Spitalsystem wird massgeblich von wirtschaftlichen Überlegungen, insbesondere der Fallpauschale, beeinflusst. Bei der Fallpauschale ist im Vornherein klar, wie viel das Spital für den Patienten erhält. Das Spital ist selber verantwortlich, die Behandlung so zu gestalten, dass es mit dem Geld auskommt. Dies ist zweifellos wirtschaftlich gedacht. Doch ist es auch patientengerecht? Mit der Fallpauschale wollte man in erster Linie Steuerungsmechanismen einführen mit dem Ziel, die Konkurrenz unter den Spitälern zu erhöhen und damit auch unrentable Spitäler auf Kurs zu bringen. Die Spitäler und vor allem die Ärzte stehen heute unter einem enormen Druck, wirtschaftlich zu handeln. Zweifellos hat eine gute Medizin die Aufgabe, ihre Gelder, die sie aus Steuern bezieht, in vernünftiger Weise auszugeben und nicht zu verschwenden. Wenn Patientenbehandlungen jedoch rentieren müssen, ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass die ganzheitliche Sicht zum Wohl des Patienten verloren geht und die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient leidet.

Die Überführung der Medizin in einen Wirtschaftsbetrieb führt dazu, dass sich die Medizin von ihrem ursprünglichen Auftrag und Wesen verabschiedet: Die Gewinnmaximierung steht vor dem Patientenwohl. Begriffe wie Caritas, Barmherzigkeit, Hingabe oder Dienst am Menschen, die den Arztberuf ursprünglich einmal ausmachten, verlieren zusehends an Bedeutung. Kann dies der zukünftige Weg der Medizin sein? Meines Erachtens nein. Haben wir den Mut, dieses Fallpauschalenprinzip von Grund auf zu hinterfragen und uns auf eine menschenzentrierte Medizin zurückzubesinnen.