In den Mühlen des Zeitgeistes und der politischen Macht (Frühling 2019)

Die CVP legte beim Bundesgericht Beschwerde ein und gewann: Die Abstimmung über die Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» muss wiederholt werden. So entschied kürzlich das Bundesgericht. Doch was als Erfolg für die natürliche Ehe und Familie zu werten ist, könnte sich schon bald ins Gegenteil verkehren.

Am 18. Februar 2016 wurde die Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» knapp von 50.8% der Abstimmenden verworfen, jedoch von einer grossen Mehrheit der Kantone angenommen. Die Initiative wollte die bis anhin bestehende steuerliche Benachteiligung der Ehepaare im Vergleich zu den Konkubinatspaaren beseitigen. Diese besteht darin, dass Ehepaare im Gegensatz zu Paaren im Konkubinat gemeinsam besteuert werden und dadurch in eine höhere Steuerprogression fallen. Aufgrund von schwerwiegenden Informationsmängeln seitens des Bundesrats im Vorfeld der Abstimmung reichte die CVP im Jahr 2018 in mehreren Kantonen Beschwerde ein und verlangte deren Wiederholung. Im Wesentlichen machte die CVP dabei geltend, dass der Bundesrat im Nachgang zur Abstimmung zugeben musste, dass seine Ausführungen im Abstimmungsbüchlein gravierende Mängel enthielt. So beträgt die Zahl der benachteiligten Doppelverdienerehepaare nicht – wie vom Bundesrat ursprünglich angegeben – 80’000, sondern die Zahl liegt weit höher, nämlich bei 454’000.

Mit Urteil vom 10. April 2019 hiess das Bundesgericht nun diese Beschwerden gut im Wesentlichen mit der Überlegung, dass durch diese gravierenden Ungereimtheiten und Fehlinformationen seitens des Bundesrats das Recht der Abstimmenden auf objektive und transparente Information verletzt wurde und demzufolge eine Verletzung der Abstimmungsfreiheit vorliegt. Zudem waren diese Unregelmässigkeiten geeignet, das knappe Abstimmungsergebnis zu beeinflussen.

Dieses Urteil ist ein Novum in der Schweizer Rechtsgeschichte, wurde bis anhin noch keine eidgenössische Abstimmung vom Bundesgericht aufgehoben. Ein grosser Erfolg für die CVP – und für die Ehe und Familie, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Doch dieser historische Bundesgerichtsentscheid könnte für die Ehe und Familie, für welche die CVP mit dieser Initiative angetreten ist, einen bitteren und ungeniessbaren Nachgeschmack erhalten. Bereits kurz nach der Veröffentlichung des Bundesgerichtsurteils, kam die Initiative bereits unter medialen Beschuss. Warum? Die Wiederholung einer Abstimmung, welche unter solchen Vorzeichen stattfand, verlangen unsere rechtsstaatlichen und demokratischen Gepflogenheiten und sollte doch Grund zum Jubel sein. So die naheliegende Annahme. Doch die mediale Befeuerung richtete sich gegen den Passus der Initiative, welche die Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau definiert. Eine Aussage, die natürlich Zündstoff enthält, vor allem in Anbetracht der «Ehe für alle», über die das Schweizer Volk bereits in naher Zukunft abstimmen dürfte.

Nun folgt erneut ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte der CVP, wie es wohl spätestens mit Unterstützung wesentlicher Teil der CVP für die Liberalisierung der Abtreibung in der Schweiz begonnen hat und bei der «Ehe für alle» einen vorübergehenden Höhepunkt erreichen wird. Ein weiteres Beispiel, welche die Tragik der «C-Parteien» bzw. der «bürgerlich-konservativen» Parteien in Europa verdeutlicht. Um weiterer Kritik wohl zuvorzukommen, sagte Gerhard Pfister, Präsident der CVP Schweiz, in einem Interview der NZZ gegenüber bereits am Urteilstag am 10. April 2019, dass es entscheidend sei, dass man eine solche Abstimmung wiederhole, es der CVP bei dieser Initiative allerdings nicht um die Ehedefinition gehe, sondern um die Beseitigung einer Diskriminierung. Klare Worte. Somit hat Pfister die CVP als Partei in der Öffentlichkeit «gerettet», jedoch wesentliche christliche Überzeugungen definitiv über Bord geworfen.

Ob Pfister dabei aus persönlicher Überzeugung oder wahltaktischen Überlegungen gesprochen hat, weil er die Interessen seiner Partei im Wahljahr 2019 im Vordergrund sah und die CVP aus der medialen Schusslinie nehmen wollte, oder aus Menschenfurcht, um dem Druck und der Kritik des Zeitgeistes zu entgehen…

Wie auch immer. Diese Aussage des CVP-Präsidenten verdeutlicht, was bereits die Spatzen von den Dächern pfeifen: Die CVP wird auch in dieser gesellschafts- und familienpolitischen Frage kein Rückgrat beweisen und in der Parlamentsdebatte Hand bieten, die Ehedefinition in ihrer Initiative ersatzlos zu streichen, um gleichzeitig einen direkten Gegenvorschlag ohne die Ehedefinition im Parlament zu unterstützen. Dadurch erhofft sich die CVP, die Chancen zu erhöhen, die Volksabstimmung über die Beseitigung der steuerlichen Benachteiligung der Doppelverdienerehe als «Siegerin» zu verlassen, jedoch mit dem Preis, der «Ehe für alle» den Weg zu ebnen. Letztlich ein fauler Kompromiss auf Kosten der natürlichen Ehe und Familie.  Ihre einstmaligen Überzeugungen im Bereich Ehe und Familie opfert die CVP auf dem Altar des Zeitgeistes und der politischen Macht.

Gerade diese Entwicklung zeigt uns auf, dass wir alle gefordert sind, uns vereint für Ehe und Familie und für die christlichen Werte einzusetzen. Dabei geht es nicht – und das ist zu betonen – um die Verunglimpfung oder Ausgrenzung Andersdenkender, sondern um das Eintreten für die eigenen christlichen Überzeugungen und für die Bewahrung unseres Wertefundaments, auf dem unser Staat und unsere Gesellschaft aufgebaut ist, ein Staat, dessen Keimzelle der eheliche Zusammenhalt und die natürliche Familie ist.