Digitalisierung mit Augenmass
Die Digitalisierung ist nicht aus der Schule zu verbannen, darin stimme ich Urs Blaser zu. Doch ist die Digitalisierung mit Augenmass einzuführen und hat nicht die Aufgabe, die Lehrperson zu ersetzen. Leider wird aufgrund der heutigen pädagogischen Sichtweise die Lehrperson immer mehr zum Coach degradiert, da der Grundsatz gilt: «Die Schüler sollen ihren Lernprozess anhand von lebensnahen Problemschilderungen weitgehend selbst gestalten». Dies führt letztlich dazu, dass vor allem die schwachen Schüler aufgrund Überforderung auf der Strecke bleiben und jegliche Motivation an der Schule verlieren. Zudem führt dieses individuelle Lernen, oftmals in offenen Lernumgebungen, auch zu einem Bedeutungsverlust des Klassenverbands. Dadurch kommen das soziale Lernen und der Umgang und die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen zu kurz, was ein wesentlicher Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung darstellt. Es hat schon seinen Sinn, wenn ein Schüler in das Gesicht einer Lehrperson und nicht in einen Bildschirm blickt. Die Lehrperson weiss darauf zu reagieren, der Computer nicht. Das ist unendlich wichtig, was auch die Lernfortschritte betrifft. Der klassische Unterricht im Lehrer-Schüler-Gespräch wird insofern auch zukünftig im Zentrum schulischer Lernprozesse stehen.
Unverständlich ist für mich zudem, weshalb Urs Blaser die humanistische Bildung im Sinne einer ganzheitlichen Persönlichkeitsbildung nicht mehr als aktuell ansieht. Die Digitalisierung ist eine Tatsache mit vielen Vorteilen, doch sollen wir deshalb die Bildung unserer Schüler einseitig an wirtschaftlichen Entwicklungen und Forderungen ausrichten, die bereits morgen wieder veraltet sind? Wo bleibt hier die Herzensbildung? Wo bleibt der Mensch als Ganzes? Menschsein ist mehr, als Kompetenzen sagen können. Es ist endlich an der Zeit, dieser Ökonomisierung des Bildungssystems Einhalt zu gebieten.
Dieser Leserbrief erschien im „Der Rheintaler“ am 5.12.2019.